Die Lippe, ein rechter Nebenfluss des Rheins, ist ein typischer Flachlandfluss. Sie entspringt am Südrand des Teutoburger Waldes, durchfließt das nördliche Ruhrgebiet und mündet nach 220 Kilometern bei Wesel in den Rhein. Typisch für einen Fluss, der einer Karstquelle entspringt, hat die Lippe im Oberlauf eine relativ starke Wasserführung und eine – verglichen mit anderen Flüssen – geringe Schwankung der Wassertemperatur. Nach umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen während der letzten 20 Jahre konnten sich längere Abschnitte der Lippe wieder zu einem naturnahen Fluss zu entwickeln. Unter anderem sind mittlerweile Störche und Biber an die Lippe zurückgekehrt.
Vor hundert Jahren war die Lippe in großen Teilen kanalisiert
Schon für die Römer war die Lippe ein wichtiger Transportweg. Sie nahmen erste Veränderungen an der Gestalt der Lippe vor, um sie effektiver für die Versorgung ihrer Lager zu nutzen. Ab dem 13. Jahrhundert wurde der Fluss vielfach gestaut, um Mühlen zu betreiben. Später erfolgten immer stärkere Begradigungen, vor allem, um die landwirtschaftlichen Produktionsbedingungen zu verbessern, aber auch um den Fluss für den Schiffsverkehr nutzbar zu machen.
Anfang des 20. Jahrhunderts war die Lippe ein massiv beeinträchtigtes Gewässer. Es gab kaum noch natürliche Bereiche, der Großteil des Flusses war kanalisiert. Hinzu kamen immer mehr Abwässer auch aus der Industrie und dem Bergbau. Im Jahr 1926 wurde daraufhin der Lippeverband gegründet, welcher sich der Problematik annahm und erstmals Maßnahmen zur Abwasserreinigung und zum Hochwasserschutz einleitete.
Das Fließgewässer wurde bereits erfolgreich renaturiert
Der Lippeverband konnte bereits in den 1990er-Jahren die Wassergüte der Lippe durch den Ausbau der Kläranlagen erheblich verbessern. Mit dem Lippeauenprogramm werden seit 1995 in vielen kleinen Schritten Uferabschnitte umgestaltet: Steinerne Befestigungen werden durch Uferabbrüche, kleine Aufweitungen und Inseln im Fluss ersetzt. Seit 1995 werden auch die Bestanddaten der Fische systematisch erhoben.
In den Jahren 2005 bis 2015 hat der Lippeverband gemeinsam mit der Stadt Hamm das „LIFE-Projekt Lippeaue“ umgesetzt. Dabei wurden weite Auenbereiche reaktiviert und naturnah gestaltet. Es zeigte sich, dass viele Fischarten sehr schnell auf die Verbesserungen reagierten. Beispielsweise tauchten bereits im ersten Sommer nach Baumaßnahmen in der Hellinghauser Mersch Äschen auf, die vorher in diesem Flussabschnitt fehlten, auch Schmerlen waren fünfmal häufiger als in der alten, begradigten Lippe. Auch gab es erfolgreiche Wiederansiedlungsprogramme von Fischen, zum Beispiel der Quappe, dem einzigen europäische Süßwasserfisch aus der Familie der Dorsche.
Aber nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch die Menschen haben von den Entwicklungen profitiert: Mit der Renaturierung hat sich der Hochwasserschutz deutlich verbessert. Heute wird die Lippe und ihre angrenzende Landschaft als Naherholungsgebiet geschätzt und genutzt, zum Beispiel für Kanu- oder Radtouren (die Römer-Lippe-Route gibt viele Touren mit interessanten Haltepunkten entlang der Lippe vor) oder zum Wandern.
Der Otter besucht wieder regelmäßig die Lippeaue
Auf der Lippe und ihren Nebengewässern leben das ganze Jahr über Enten, Gänse, Schwäne, Taucher und Rallen. Einzelne Paare der bedrohten Arten Knäk-, Löffel- und Schnatterente brüten regelmäßig dort, ebenso der Eisvogel. An der Lippe gibt es zudem zunehmend Tiere, die aufgrund der in den letzten Jahren durchgeführten gewässerökologischen Verbesserungsmaßnahmen den Fluss als Lebensraum wiederentdecken. Beispiele sind die Rückkehr des Bibers, des Weißstorchs, der Großlibelle Gemeine Keiljungfer und der Uferaas oder Kornmotte genannten Eintagsfliege. Auch der Otter besucht inzwischen wieder regelmäßig die Lippeaue.
Mit ihrer relativ hohen Wasserqualität bietet die Lippe Lebensraum für Fischarten wie Quappe und Steinbeißer, auch die Flußkahnschnecke und die Glanzleuchteralge konnten nachgewiesen werden. In Feuchtwiesen und anderen naturnahen Lebensräumen entlang der Aue kommen zum Beispiel Wachtelkönig, Laubfrosch und Lauch-Gamander vor.
Seit 2003 weiden auch polnische Konikpferde in der Lippeaue, ein Geschenk der niederländischen Forstverwaltung. Koniks sind die letzten Nachfahren der europäischen Wildpferde. Sie schaffen gemeinsam mit Rindern in einigen Bereichen ein Mosaik unterschiedlicher Wiesen- und Weiderasen – idealer Lebensraum für beispielsweise den Weißstorch.