Vier Wochen ist sie nun her, die Wahl zum Europäischen Parlament. Es hat sich gezeigt, die EU ist drastisch nach rechts gerückt. In den vergangenen vier Wochen hatten wir Zeit, den ersten Schock zu verdauen, wobei Schock nicht das richtige Wort ist: Vielmehr ist es so, dass für die meisten von uns das Ergebnis nicht überraschend kam - wir alle agieren in irgendeiner Form als politische Wesen in unserer Gesellschaft - vielmehr ist es so, dass sich die Hoffnung, unsere Gesellschaft würde weniger menschenverachtende Parteien wählen, nicht erfüllt hat - und das gilt es zu verdauen.
Spannender ist die Frage: Was passiert mit diesem Ergebnis? Was machen die Entscheidungsträger*innen in unserem Land gegen die antidemokratischen Tendenzen?
Die bisherige Bilanz ist ernüchternd: Es wäre an der Zeit, endlich das Demokratiefördergesetz auf den Weg zu bringen, die Haushaltsmittel für demokratiefördernde Projekte aufzustocken, über die Besteuerung von Superreichen nachzudenken, die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche wirklich zu erhöhen oder dafür zu sorgen, dass Teilhabe in unserer Gesellschaft wirklich möglich ist. Aber die politischen Diskurse sind davon geprägt, wie die Schuldenbremse nicht angetastet werden darf, gleichzeitig aber unglaublich viel Geld in die Bundeswehr gesteckt wird und die Wehrpflicht, die wirklich niemand will, die*der davon betroffen ist, wieder eingeführt wird oder wie man noch besser, noch effektiver abschieben kann. Egal, ob es sich um Jesid*innen handelt, die in die Region zurückgeschickt werden sollen, in der sie vor wenigen Jahren einen Völkermord überlebt haben und in der noch immer über 1000 Frauen und Mädchen als Sklavinnen verschleppt wurden und verschwunden sind, oder um Menschen, die in ihren Herkunftsländern politisch verfolgt werden. Es hat den Anschein, als wolle man den Wünschen der rechten Kräfte zuvorkommen, um Wähler*innen bei der Stange zu halten. Politische Bildung aber so scheint es, ist etwas, um das sich Vereine und Verbände kümmern sollen, ehrenamtlich – bis all die ehrenamtlichen Menschen ausbrennen.
Dabei haben die Wahlergebnisse gezeigt, dass viele Wähler*innen nicht zu AfD-Wähler*innen, sondern zu Nichtwähler*innen geworden sind - die politischen Entscheidungsträger*innen täten gut daran, darüber nachzudenken, dass es gerade die Anbiederung ihrer Parteien an rechte Forderungen war, die dazu geführt hat, dass ihre Stammwähler*innen sie nicht gewählt haben. Denn wenn Menschen keine Rechten wählen wollen, ihre Parteien sich ihnen aber anpassen, dann ist es auch eine logische Konsequenz, dass viele nicht mehr wählen wollen.
So erschreckend die Europawahl war, sie hätte ein Wachrütteln sein können, der Moment in dem sich alle politischen Entscheidungsträger*innen endlich zusammentun um unsere Demokratie und unsere Werte zu verteidigen, dass ein „weiter so“ nicht reicht, das müsste nun allen klar sein.