Menschen am Unterbacher See
Hier findet ihr die Langversion der "Erinnerungen an Erna Bergfeld".
Leider ist die Tafel aufgrund von Hochwasserschäden derzeit nicht vor Ort zu sehen.
Weitere Geschichten von Menschen am Unterbacher See findet ihr hier:
Kindheitserinnerungen an den Unterbacher See>>>
"Erinnerungen an Erna Bergfeld"
Teil 1: Ein Grundstück in Unterbach
Erna Bergfeld, geboren 1907 und bis zu ihrem Tod 2012 Mitglied der NaturFreunde Düsseldorf, wohnte von 1932 bis 1967 am Unterbacher See. Sie erzählt:
1931 hat mein Mann Gustav das Grundstück am Unterbacher See gekauft, 3.000 Quadratmeter zu 45 Pfennig der Quadratmeter. Ich wollte da eigentlich gar nicht hin, da ist es mir viel zu einsam gewesen. Wir wohnten bis dahin im Haus meiner Eltern in der Siedlung Freiheit, und da wollte ich nicht weg, von den Freunden und Genossen aus den Arbeiterorganisationen.
Aber das Land in Unterbach war billig, und so wurden wir Besitzer einer kleinen Hühnerfarm mit Stall. Gustav baute den Holzschuppen in ein Häuschen für uns um. Er war Bau- und Möbelschreiner, wurde aber 1932 einer von vielen Millionen Arbeitslosen.
Das Schönste an der Wohnung war die Küche, Gustav hatte alle Küchenschränke selbst gebaut, sein Hochzeitsgeschenk für mich. Eine weiße Schleiflackküche, das war schon etwas Besonderes. Außer der Küche gab es nur noch eine Wohnstube, unser Schlafzimmer und ein Schlafzimmer für meine Eltern, die mit bei uns einzogen.
Sechs Wochen nach der Hochzeit wurde ich in der Seifenfabrik entlassen, die Firma beschäftigte keine verheirateten Frauen. So fingen wir an, auf unserem Grundstück Hühner zu züchten. Bald lohnte sich das nicht mehr, und wir zogen Schafe groß, mästeten Schweine, hielten Ziegen und vor allem Bienen. Ich lernte, Schafe zu scheren, die Wolle zu verspinnen und strickte daraus Pullover und verkaufte sie.
Unser Leben hier am See war karg, es gab kein elektrisches Licht und es war feucht, Haus und Garten waren von Moorboden umgeben. Aus unserer Pumpe kam oft braunes Wasser und an trockenen Tagen musste ich zum Nachbarn laufen, um Wasser zu holen.
Aber für unsere Tochter Ilse, die 1932 zur Welt kam, war es das Paradies, in dem sie aufwuchs - zwischen blühenden Obstbäumen, Ziegen, Erdbeerfeldern und Federvieh. Ihr Lieblingsspielplatz war der Teich am Haus. Mitten im Teich war eine kleine Insel, und darauf hatte Gustav eine Weide für Ilse gepflanzt.
Teil 2: Faschismus und Krieg
Als Hitler 1933 an die Macht kam, brachten wir die Habe, die uns besonders wertvoll war, in Sicherheit. Das waren unsere Bücher, und so mauerten wir die Bücher von August Bebel, Maxim Gorki oder Jack London in eine doppelte Wand im Schweinestall ein. Sie sind bis zum Ende der Nazizeit dort unentdeckt geblieben.
Zwischen dem Broich, wo wir wohnten, und der Vennstraße gab es nur fünf Häuser, die Butzbroichsiedlung. Die Häuser waren alle von SA-Leuten bewohnt. An einen von ihnen, den SA-Mann Mies, erinnere ich mich besonders ungern. „Wir werden siegen“, hatte dieser dumme und gemeine Mann zu Gustav mit wichtiger Miene gesagt, „und dann werden noch Köpfe rollen.“
Am 1. September 1939 war ich mit dem Fahrrad unterwegs. Ich wollte im See schwimmen, als mir jemand erzählte, dass der Krieg angefangen hat. Ich bin hinausgeschwommen und habe gedacht, alles sieht so aus wie immer. Der Himmel über dem Wasser ist blau und friedlich. Aber doch ist nichts mehr so wie früher. Ich hatte ein ganz seltsames Gefühl, so als wäre da eine Ahnung von drohendem Unheil.
Als mein Mann später im Krieg war, kam an den Samstagen Mitja zu mir. Mitja war ein kahlköpfiger ernster Mann aus Russland und musste als Kriegsgefangener werktags in der Fabrik arbeiten. Samstags wurde er mir als Aushilfsarbeiter zugeteilt, und er half mir bei den schweren Arbeiten, die ich nicht selbst machen konnte, wie Garten umgraben oder Holz hacken. Leider konnte Mitja kein Wort deutsch, und ich konnte kein russisch. Zu gerne hätte ich ihn über seine Heimat gefragt.
Mein glücklichstes Erlebnis war, als am 16. April 1945 die Amerikaner kamen. Ilse und ich hatten den ganzen April über im Keller bei Freunden auf der Gerresheimer Landstraße geschlafen wegen des Artilleriebeschusses. Als wir nach Hause gingen, sahen wir die amerikanischen Soldaten die Straße heraufkommen. Da wusste ich, dass der Krieg zu Ende war. Endlich wieder zu Hause schlafen, endlich wieder ein normales Leben.
Bis 1967 wohnten wir im Broich. Damals begann der Ausbau des Unterbacher Sees zu einem Naherholungsgebiet, und die Stadt Erkrath machte uns gute Angebote. Für 35 Mark den Quadratmeter haben wir schweren Herzens unser Grundstück verkauft und sind nach Unterbach gezogen, wo wir uns am Ginsterberg zwei Häuser gebaut haben. Eines für Ilse und ihre Familie und eines für Gustav und mich.
Ernas Bericht haben wir ihr in den Mund gelegt. Er beruht auf ihren Erinnerungen, die Hanna Eggerath in einer kleinen Schrift „Der Weidenbaum“ aufgezeichnet hat.
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